Kreuzer

Das Kino in der Hosentasche

Zwei Leipziger Brüder erobern die wunderbare Welt des Daumenkinos Wer seine Mathe- oder Physikbücher aus der guten alten Schulzeit noch sein eigen nennt, sollte sie noch mal rauskramen. Und nachschauen , was sich in den unteren Ecken der Bücher so abspielt. Könnte es sein, daß dort kleine Strichmännchen oder - weibchen lustig auf und ab hüpfen, wenn man die Bilder mit dem Daumen flattern läßt? Aha! Wie hätte man auch sonst damals die Stunden überleben sollen...

Während andere solche Spielereien langsam vergaßen, hielten Holger und Michael Schack dem Daumenkino die Treue. Die Brüder wurden von Liebhabern zu Sammlern und letztlich – zu Verlegern. Ihre gemeinsame Bude im Leipziger Süden wurde zum Headquarter erklärt, und mit betonter Naivität versuchen die beiden nun, unerschrocken die Welt zu erobern.

Schließlich bringen sie das wichtigste Merkmal mit, um Daumenkinogeschichte zu schreiben: Sie sind Brüder. Am Anfang des (Daumen-) Kino-Stammbaums standen die Brüder Max und Emil Skladanowski. Um 1890 feierten sie große Erfolge mit ihrem Bioskop, eine Irrsinnskonstruktion in einem Berliner Lokal, welche Bilder eher stolpern als laufen ließ. Aber immerhin, ein Hauch von Kino wehte durch die Bierstube, die Massen waren begeistert. Bis die Brüder Skladanowski von den Brüdern(!) Lumière nach Paris eingeladen wurden. Die hatten mittlerweile einen kleinen Kasten erfunden, der im großen und ganzen so funktionierte wie heutige Kinovorführmaschinen auch. Das war der K.o. für Bioskop und die Skladanowskis, nur ihre Daumenkinos sollten ihnen bleiben.

Michael und Holger Schack haben so das warnende Beispiel vor Augen, und der deutsche Buchmarkt ist ja bekanntermaßen keine Kuranstalt. Doch frech kommt weiter: Ihr „Guerilla-Marketing" verhalf ihnen hastdunichtgesehen zu einem Kurzauftritt in der Harald-Schmidt-Show und einer Schlagzeile in der Bild-Zeitung. „Nachdem Harald in seiner Sendung ein Daumenkino verschenkt hatte, haben wir einfach ein Video gemacht und eingeschickt. Die waren total begeistert, und innerhalb einer Woche lief es auf dem Sender:"

Die unerwartete Medienpräsenz hilft natürlich. Für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fand sich plötzlich ein renommierter Vertrieb (der u.a. Eichborn und Carlsen vertreibt). So ist die Startauflage der ersten vier Daumenkinos, die aus Trick- und Kurzfilmsequenzen bestehen, kein so großes Risiko mehr.

„Daumenkinos würden sich wunderbar als Merchandising für Kinofilme eignen", ist sich Holger Schack sicher. „Außerdem könnten sie Glückwunschkarten oder Einladungen ersetzen." Mit einem der ersten Daumenkinos, Arbeitstitel „Futter", könne man zum Beispiel die Liebste charmant zum Dinner überreden.

Einen kleinen „dicken Fisch" haben die Brüder auch schon an Land gezogen. Die Schacks ergatterten die Exklusiv-Daumenkino-Nachverwertungs-Rechte an allen Filmen von Buster Keaton! Das schlägt natürlich wunderbar die Brücke zur Pionierzeit des Kinos. Der Slapstick-Gott Keaton ist für die kleinen 8-Sekunden -Filme der ideale Szenenlieferant, als erstes ist eine Sequenz aus seinem Film „Neighbours" geplant.

Doch die Träume der beiden Kleinstverleger reichen noch viel weiter. Da die Produktionszeit einer Daumenkino-Sequenz im glücklichsten Falle nicht länger als einen Tag beträgt, sollen in Zukunft auch aktuelle Ereignisse illustriert werden. „Der Dammbruch während des Oderhochwassers als Daumenkino. das wäre der Hit gewesen", begeistern sich die beiden. Aber es dürften sich auch andere Ereignisse anbieten: das Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM gegen Usbekistan zum Beispiel, oder das säuerliche Gesicht von Helmut Kohl, wenn er Gerhard Schröder zur Kanzlerwahl gratuliert. Das wären doch ideale kleine Filmchen zum immer wieder Durchblättern, hoher Unterhaltungswert garantiert.

Oder etwa nicht?

Torsten Preuß


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